SCHWEIZ: Stille genießen im Tessin

Es knirscht. Wolfgang läuft vor mir auf dem schmalen Wanderweg – und bei jedem Schritt, den er geht, höre ich die Steinchen unter seinen Schuhen. Sonst nichts. Denn hier oben auf dem Monte Lema ist es paradiesisch ruhig. Wie ich diese Stille im Tessin genieße!

Schon am ersten Abend in der Casa Santo Stefano in Miglieglia bin ich unglaublich entspannt und wundere mich über mich selbst. Mein Leben zuhause ist weder hektisch noch laut, aber in diesem kleinen Bergdorf im Tessin bin ich so ausgeglichen, dass ich für immer bleiben möchte.

Kirchenglocken und Yoga

Morgens würden mich die Kirchenglocken wecken, tagsüber würde ich schreiben und dem Wind in den Palmen lauschen, abends würde ich zur Yogastunde gehen. Denn unser Bed and Breakfast ist auch ein Seminarhaus mit Angeboten wie „Yoga-Auszeit“ oder „Wandern und Yoga“. Was für eine schöne Vorstellung von einem Leben im Tessin.

Good Travel in Zeiten der Pandemie

Die sympathische Casa Santa Stefano habe ich bei goodtravel entdeckt und hielt sie für das ideale Ziel für unsere erste Reise nach der Pandemie – besser gesagt unsere erste Reise mit doppelter Impfung (Wolfgang) und einfacher Impfung (ich) bei niedrigen Inzidenzwerten.

Klingt kompliziert und ist ganz einfach, denn an den Grenzen von Deutschland nach Österreich und von Österreich in die Schweiz wollte niemand irgendeinen Nachweis sehen.

Mit dem E-Auto in die Schweiz

Genauso unkompliziert war auch unsere Anreise mit dem Elektroauto. Seit November haben wir unseren Kona und sind bei jeder Fahrt begeistert. Im Ausland waren wir aber noch nie mit dem eMobil – und  sind deshalb doch ein ganz klein wenig aufgeregt. Gibt es überall Ladesäulen? Gilt unsere Ladekarte auch in den Nachbarländern? Müssen wir die Strecke ganz genau planen?

Fragen über Fragen, und alle unbegründet. Zumindest in der Schweiz. Denn die Eidgenoss*innen haben eines der dichtesten Netze an Ladestationen weltweit. Das fällt auch uns sofort auf. Miglieglia ist ein kleines Bergdorf im Tessin und hat laut Wikipedia 317 Einwohner*innen. Eine schmale und äußerst kurvige Straße führt hinauf zu dem kleinen Ort mit den alten Steinhäusern. Hier gibt es nicht viel: die Casa Santa Stefano und eine Seilbahn zum Monte Lema. Und hier, an der Talstation der Seilbahn, ist eine Ladesäule. Keine 100 Meter von unserem Quartier entfernt.

Mit dem Postbus von Dorf zu Dorf

Wir laden unser Auto nach der Ankunft auf, lassen es in den nächsten Tagen aber fast immer stehen und nutzen den Postbus. Der kommt in der Schweiz regelmäßig und immer pünktlich. Und auch im kleinen Bergdorf fährt er zweimal pro Stunde, auch noch am späten Abend. Und kostenlos mit dem TicinoTicket, das wir in der Unterkunft bekommen.

Kein Wunder, dass viele Schweizer*innen kein Auto haben. Manche noch nicht einmal einen Führerschein.

Gute Gespräche bei einem Glas Wein

So wie die nette Musikerin, mit der wir am zweiten Abend bei einem Glas Wein in der Casa ins Gespräch kommen. Sie lebt in Winterthur und ist mit einem Deutschen verheiratet. „Meine Schwiegereltern wundern sich heute noch, dass ich keinen Führerschein habe“, erzählt sie uns.

Wir unterhalten uns lange und erfahren viel über sie und das Leben einer freischaffenden Musikerin in Zeiten von Corona. Und das ist genau so ein Moment, den wir am Reisen lieben: mit Anderen ins Gespräch kommen, neue Perspektiven kennenlernen, über den eigenen Tellerrand hinausschauen, sich inspirieren lassen.

Die Schreibmaschine von Hermann Hesse

Ein guter Ort der Inspiration war und ist das Tessin auch für viele Künstler*innen. Am bekanntesten ist sicher der Literatur-Nobelpreisträger Hermann Hesse. Von 1919 bis zu seinem Tod im Jahr 1962 lebte er in Montagnola in der Nähe von Lugano. Hier schrieb er seinen berühmten Roman „Siddharta“ und hier malte er seine bunten Aquarelle mit Motiven aus der Umgebung: See, Berge, Blumen und Palmen.

Seine Pinsel, Farben und Malhocker – und vor allem seinen Schreibtisch mit Schreibmaschine – schauen wir uns in der „Fondazione Hermann Hesse“ in Montagnola an:

Grandiose Sicht auf dem Monte Lema

Hesse genoss die Stille und die Natur im Tessin. Und auch wir sind vor allem wegen der wunderbaren Landschaft hier. Wolfgang wandert fast jeden Tag, ich sitze immer wieder mal einen ganzen Vormittag auf der Terrasse und lese oder schreibe.

Gestern stand sie dann aber doch an, die große Wanderung. Am Morgen fahren wir mit der Gondelbahn hoch zum Monte Lema und haben – nach einem Regenschauer am Abend vorher – wunderbare Sicht auf eine blankgeputzte Natur. Links unten sehen wir den Luganer See, rechts den Lago Maggiore und dahinter die schneebedeckten Schweizer Berge mit dem imposanten Monte-Rosa-Massiv.

Diese grandiose Sicht genießen wir fast den ganzen Tag. Wir wandern auf dem Kamm bis zum Monte Gradiccioli und steigen dann durch Wiesen und Wälder ab nach Arosio. Sechs Stunden und 22 Kilometer sind es am Ende, ich bin erschöpft und stolz und belohne mich am Abend mit einer richtig guten Pizza und einem wirklich großen Tiramisu. Auch so geht Entspannung im Tessin.

Farbenfrohe Fresken

Wer es spiritueller mag, ist in der Kirche oberhalb von Miglieglia gut aufgehoben. Hier gibt es wunderschöne Fresken aus dem 16. Jahrhundert. Sie sind farbenfroh und liebevoll restauriert und beeindrucken mich sehr, obwohl ich schon lange aus der Kirche ausgetreten bin.

Und deshalb laufe ich fast jeden Tag hier hoch, schaue mir die Fresken an, setze mich danach auf die Mauer vor der Kirche, blicke ins Tal – und genieße die Stille.

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Elke Zapf

Hallo! Ich bin Elke, die pastaliebende Pressesprecherin und begeisterte Reisende. Vor ein paar Jahren habe ich mir deshalb einen Traum erfüllt und bin zusammen mit meinem Mann 19 Monate um die Welt gereist.

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