Fragt man Südafrikaner nach Gegenden, wo es noch „ursprünglich afrikanisch“ ist, schwärmen sie von der Wildcoast bzw. der „Transkei“. So hieß die Region in der Apartheid-Zeit, als die rassistische Minderheits-Regierung der Weißen die schwarze Bevölkerungsmehrheit zwangsweise in so genannte „Homelands“ umgesiedelte. Es verwundert nicht, dass diese in der Regel abgeschieden lagen und karge, unfruchtbare Böden hatten. Zwischen Port Elisabeth und Durban gelegen, erstreckt sich die Wildcoast ca. 850 km entlang des Indischen Ozeans bis weit ins Landesinnere. Etwa auf halber Strecke liegt Bulungula, ein mehrfach ausgezeichnetes ökologisch-soziales Tourismus-Projekt an der Küste. Das Besondere daran ist, dass es ausschließlich von Xhosa betrieben wird, in der Community verwurzelt ist und seit seiner Gründung zum kreativen Kern und Motor der Entwicklung des bislang bitterarmen Umfelds geworden ist. Zudem stieß es weitere Projekte wie die 2007 gegründete Vorschule an und brachte neben Bildung für die Kleinen viele Menschen in Arbeit.
Um dorthin zu kommen, mussten wir die Nationalstraße N2 verlassen, um dann zweieinhalb Stunden über, wie die Südafrikaner sagen, „dirtroads“ zu fahren, also staubige, teilweise sehr ruppige Pisten. Aber es lohnte sich, denn schon die Fahrt durch die weite, ländliche Hügellandschaft mit den hier üblichen Streusiedlungen war eindrucksvoll.
Die wirklich wilde Wildcoast
Endlich in Bulungula mit seinen typischen Rundhäusern, den so genannten Rondavels, angekommen, waren wir zwar beeindruckt von der fantastischen Lage, aber ein wenig ernüchtert von der kargen Realität des Projekts. Waren unsere Erwartungen zu hoch oder der Alltag tatsächlich anders als beschrieben?
Doch schon der zweite Tag war dann voller tiefer Eindrücke: Vormittags begegneten wir Esethu Mkhwenkwe und den Kindern von Bulungula. Sie, eine sympathische junge Lehrerin, hat uns die örtliche Vorschule und deren abgeschieden-ländliches Umfeld so lebendig vermittelt, dass wir verstanden haben, wie wichtig ihre Arbeit und die ihrer fünf Kolleginnen gerade dort ist. Danach sahen wir auf einer kleinen Wanderung durch die Hügellandschaft eine große Zahl von Einheimischen, die dabei waren, in Teamwork und sehr kunstfertig eine traditionelle Rundhütte aus Zweigen und Schilfgras zu bauen. Wie es sich herausstellen sollte, waren wir zufällig in eine alte Tradition der Xhosa geraten, des großen südafrikanischen Volkes, das im Gebiet der Wildcoast lebt.
Eine Vorschule als Brutstätte?
„Bulungula incubator“, so der Name der Pre School, heißt übersetzt „Brutstätte Bulungula“. Was das heißen soll, verstanden wir, als wir erfuhren, dass nur fünf Prozent der Einheimischen einen höheren Bildungsgrad hat und die Arbeitslosigkeit bei 42 Prozent liegt. Ziel des Projekts ist es deshalb, den Kindern von Bulungula eine Chance auf Bildung und sozialen Aufstieg zu geben. Dafür mussten zunächst die sehr traditionell eingestellten Eltern gewonnen werden, sich für die Bildung ihrer Kinder und für ihre Vorschule zu engagieren – kein leichtes Unterfangen. Heute arbeiten viele aktiv dort mit, sei es durch Kochen oder Mitarbeit beim Gärtnern. Dass das Thema „gesunde Ernährung“ hier eine große Rolle spielt, haben wir unmittelbar erleben können beim Gang durch die gepflegten Schulgärten, in denen frisches Gemüse und Kräuter für die Kinder angebaut werden.
Eine Dorfgemeinschaft packt an
Von diesem Besuch noch ganz beeindruckt, gerieten wir mittags bei einer kleinen Wanderung auf offenem Feld mitten in einen Hüttenbau. Offensichtlich waren alle erwachsenen Bewohner eines Dorfes zusammengekommen, um eine Rundhütte in abgelegener Lage am Fluss zu bauen. Doch wofür? Während die Frauen – fast alle mit farbig angemalten Gesichtern – große Mengen von Schilfgras zu Bündeln verknoteten, bauten die Männer aus langen, starken Ästen das Gerüst der Hütte. Am Ende wurde dann das Gerüst mit den Schilfgrasbündeln vollständig abgedeckt. Für uns, die wir dabei sein durften – Elke konnte sogar beim Bündeln von Schilfgras mithelfen – war beeindruckend, wie hier eine ganze Dorfgemeinschaft einen Tag lang Teamwork praktiziert. Da keiner der Anwesenden Englisch sprach, blieb es uns ein Rätsel, was hier eigentlich vorging. Elke tippte auf ein Hochzeitsritual…
Später erfuhren wir dann, dass es bei den Xhosa Brauch ist, dass ein 18jähriger Junge in dieser Hütte für ein bis drei Monate von der Gesellschaft (und insbesondere von den Frauen) isoliert leben, sich besonders kleiden und sich in dieser Zeit von einem „Heiler“ begleiten lassen muss. Danach gilt er dann als Mann – ein Initiationsritual. Dies ist Teil einer religiösen Kultur, in der Hexerei und böse Geister ihren festen Platz haben.
Erster schwarzer Präsident und starke Xhosa-Frauen
Interessant übrigens zu wissen, dass der berühmteste Xhosa, Nelson Mandela, in der „Transkei“ als Sohn einer relativ wohlhabenden Adelsfamilie aufwuchs und eine naturverbundene Kindheit hatte. Als erster schwarzer Präsident betont er später stets, wie wichtig es für die Identität des neuen Südafrika sei, Tradition und Moderne miteinander zu verbinden.
Später erfuhren wir dann, dass es bei den Xhosa Brauch ist, dass ein 18jähriger Junge in dieser Hütte für ein bis drei Monate von der Gesellschaft (und insbesondere von den Frauen) isoliert leben, sich besonders kleiden und sich in dieser Zeit von einem „Heiler“ begleiten lassen muss. Danach gilt er dann als Mann – ein Initiationsritual. Dies ist Teil einer religiösen Kultur, in der Hexerei und böse Geister ihren festen Platz haben.
Erster schwarzer Präsident und starke Xhosa-Frauen
Interessant übrigens zu wissen, dass der berühmteste Xhosa, Nelson Mandela, in der „Transkei“ als Sohn einer relativ wohlhabenden Adelsfamilie aufwuchs und eine naturverbundene Kindheit hatte. Als erster schwarzer Präsident betont er später stets, wie wichtig es für die Identität des neuen Südafrika sei, Tradition und Moderne miteinander zu verbinden.