Kapstadt im südafrikanischen Spätherbst: Vom ersten Augenblick an freundlich-lebendig und sonnig-warm, multikulturell und voller Lebenshunger, hinreißende Lage zwischen zwei Ozeanen. Dahinter das Tafelberg-Massiv, viel näher, mächtiger und eindrucksvoller als erwartet. Schon nach vier Tagen stellt sich bei uns ein Gefühl ein von „Angekommen sein“. Erstaunlich, wie schnell das hier geht.
Erste spielerische Gespräche über ein mögliches „Hierblieben“. Dazu tragen auch die Nachrichten aus der Heimat bei: Während dort die AfD für Furore sorgt, für die der Islam – eine der großen Weltreligionen – „nicht zu Deutschland gehört“ (was soll das eigentlich heißen?), erleben wir hier, wie alle Ethnien auf engstem Raum zusammen leben.
Südafrika – die Regenbogennation
In Südafrika ist praktisch jeder ein Einwanderer – das Land hat elf offizielle Sprachen! Die 1997 verabschiedete Verfassung gilt als die liberalste der Welt. Natürlich ist das Zusammenleben in einer Großstadt auch hier kein „Ponyhof“. Aber es ist Alltag, also selbstverständlich.
„Free Nelson Mandela“
Überall ist auch die Geschichte Südafrikas präsent: Von der jahrzehntelangen Apartheid, die die Gesellschaft nach Ethnien getrennt, die Schwarzen brutal unterdrückt und die Dominanz der Weißen zementiert hatte. Dann die „friedliche Revolution“ von 1990, als Nelson Mandela nach 27 Jahren Haft (!) vom Häftling zum Präsidenten wurde. Die Parallelen zum Umbruch von 1989 in Osteuropa, z.B. zu Václav Havel, sind schon frappierend.
Trügt der Eindruck, dass dieser Sieg der Menschlichkeit über die Macht hier lebendiger gehalten wird? Das Erbe von Mandela und seinem Eintreten für eine gerechte Gesellschaft, in der alle gleich sind, ist jedenfalls ebenso allgegenwärtig wie gefährdet: So hoffen wohl viele, dass der gegenwärtige Präsident Jacob Zuma, der unter erheblichem Korruptionsverdacht steht, bald zurücktritt. Zu viel Macht scheint wohl immer und überall zu korrumpieren.
Viel Zeit für die Stadt am Kap
Zurück zu uns und unserem Alltag: Wir wohnen jetzt in einem „Ein-Raum-Studio“ mit ca. 24 qm, lernen rasch unser quirliges Viertel kennen und gehen so einfachen Dingen nach wie täglichem Einkaufen, Lesen, Busfahrpläne studieren, örtliche Mobiltelefone einrichten usw.
Was für ein Luxus es ist, Zeit zu haben! So wollen wir die Stadt und ihr Umland langsam kennenlernen, ohne Eile, etwas zu versäumen. Wollen Jazzclubsbesuchen, vielleicht auch mal ein Fußballspiel, uns durch ein Township führen lassen, die Bibliothek erkunden und natürlich nach Robben Island übersetzen, wo Nelson Mandela 24 Jahre lang gefangen gehalten wurde.
Und das bergige Hinterland von Kapstadt erwandern, mit dem über 1.000 Meter hohen Tafelberg, der westlich in die Bergkette der Zwölf Apostel übergeht. Und wir freuen uns auf den Besuch unserer Freundin Heike in zwei Wochen. Wir haben ja einen ganzen Monat hier…
P.S.: Für mich der treffendste Kommentar zur AfD kommt von Alexander von Humboldt: „Die gefährlichsten Weltanschauungen haben diejenigen, die die Welt nie angeschaut haben.“




